In der Nacht vom 25. auf den 26. November 1943 wurden weite Teile der Altstadt, darunter auch das Goethe-Haus, durch einen Bombenangriff getroffen. Der Dachstuhl brannte aus, aber durch den couragierten Einsatz zahlreicher Helfer konnte das Übergreifen der Flammen verhindert werden.

Am 18. und 22. März 1944 erfolgten dann die schwersten Luftangriffe des Zweiten Weltkriegs. Der spätmittelalterliche Altstadtkern, und mit ihm das Goethe-Haus, wurde vernichtet oder schwer getroffen. Am 22. März 1944, als sich Goethes Todestag zum 112. Mal jährte, ging sein Geburtshaus in Flammen auf, es blieben die Fundamente, die Keller und die Kellertreppe. Erhalten blieb zunächst auch die Nordwand, Teile der Südwand und die zwei Fenster rechts vom Eingang, doch brachte ein weiterer Angriff am 12. September die letzten Wände des Erdgeschosses zum Einsturz.

Nach dem Bombenangriff 1943

Über den Zustand des Goethe-Hauses nach den Angriffen vom November 1943 berichtete Beutler dem Dichter Rudolf Alexander Schröder: „Neben mir das Goethehaus ist eine einzige Klage. Verkohlte Dachsparren da, wo der Vater die Schlacht bei Bergen beobachtete, die Mutter die Wiege aufhob, der Sohn heimlich die Texte des Puppenspiels lernte. Und die Räume selbst: Die Stuckdecken brechen herunter und Lehm und Stroh liegen bloß. Die Wände triefen und überziehen sich mit weißem Pilzgeflecht, der Fußboden wirft sich und bricht auf wie Krankheit“.

 

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Zwangsarbeiter

Ungefähr 24.000 Zwangsarbeiter waren seit 1943 ständig in Frankfurt. Auch am Goethe-Haus wurden Zwangsarbeiter nach dem Brand 1943 dazu verpflichtet, Schutt wegzuräumen. Ernst Beutler erinnerte sich später: „Im Hirschgraben aber durchwühlten wir alle gemeinsam den Sommer 1944 hindurch den Schutt nach Türschlössern und Fensterriegeln und alten Steinen, die man beim Aufbau wieder verwenden konnte. Italienische, französische, russische Kriegsgefangene halfen uns dabei.“

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Zwangsarbeiter im Großen Hirschgraben im Dezember 1943 © Freies Deutsches Hochstift

Karl Jaspers an Beutler, 28. November 1943

Nachdem die ‚Kölnische Zeitung‘ irrtümlich die Zerstörung des Goethe-Hauses gemeldet hatte, schrieb der Philosoph: „Am Freitag Abend kam die Nachricht zu uns, das Goethehaus am Hirschgraben brenne. Mir traten die Thränen in die Augen – das erste Mal bei diesen zumeist vielleicht viel schrecklicheren Nachrichten von den Bombenzerstörungen. [...] Über das Ereignis ist kein Wort zu wagen. Es ist als Symbol ungeheuer. Aber an Sie denke ich, der Sie dies kostbare Besitztum Deutschlands und der Menschheit in Ihrer Obhut hatten. [...] Sie werden wohl stumm vor der Trümmerstätte stehen. Ob Sie die Möglichkeit und den Impuls haben, aus den Resten noch etwas zu retten und wiederherzustellen?“

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Karl Jaspers (1883 – 1969): Brief an Ernst Beutler, Heidelberg, 28. November 1943 © Freies Deutsches Hochstift

Bauskizze für Schutzmaßnahme

Januar 1944

Das Hochstift hatte den Frankfurter Architekten Fritz Josseaux mit der Wiederherstellung des Dachstuhls beauftragt. Er hatte schon während des Krieges das Goethe-Haus bis ins kleinste Detail architektonisch aufgenommen und Zeichnungen hergestellt. Nach dem Krieg nutzte er diese wichtigen Zeichnungen für den Wiederaufbau. Trotz der erfreulich geringen Schäden drohte das Goethe-Haus aber ein Opfer der Bürokratie zu werden. Es dauerte bis zum 16. Februar 1944, ehe ein Notdach eingedeckt worden war. Erst am 8. März konnte Beutler melden, dass die Räume des Goethe-Hauses wieder trocken seien.

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Fritz Josseaux (1890 – 1947): Bauskizze für Schutzmaßnahme des Goethe-Hauses © Freies Deutsches Hochstift

Beutlers Tagebuch Oktober 1943 bis April 1946

„Mi. 22. abends eingeladen zu Hohmanns zum Wein – Hilde steht auf. Um 9 Uhr beginnt der Angriff, der die Stadt vernichtet. Wir glauben nur an einen kleinen Angriff auf Bockenheim, bei Hohmanns im Keller. Um 12h nachts vergeblich versucht in die Altstadt einzudringen. Flächenbrand. Fr. Holbach, Dr. Kranz, Dr. Lüzmann zu Dr. Lehmann u. Prof. Volhard, um zu helfen. Um 5 nach hause. Vormittags am 23. Do. mit Gisela in die Altstadt. Römerberg, 30 Tote auf dem Gr. Kornmarkt. Goethehaus steht noch 1-2- Stock die Fassade u Decke im 2. Stock. Museum ganz nieder gebrannt. Löschversuche // mit Feuerwehr Hanau Land oder Offenbach Land. Abends um 7 Uhr gebe ich es auf, nachdem die Treppe zusammengefallen ist. Do. 24. früh zu Goethehaus. Es stehen noch 2 Fenster rechts unten. Mittags der große Sprengbombenangriff. In unserem Keller. [...] Kar Freitag 7. mit Christian in die Stadt 6 Badoglioitaliener, aufgeräumt, Öfen, Gitter, Steine geborgen. [...] Ostersonntag 9. Mittags zum Straßburger Hof, Westermann. Nachm. zum Kaffee bei Josseaux u. Frau Fadi. Wiederaufbaupläne.“

 

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Ernst Beutler (1885 – 1960) Tagebuch: Oktober 1943 bis April 1946 © Freies Deutsches Hochstift

Hier muß Haß heilig werden

Von der Propaganda wurde der schwere Angriff auf die „Frontstadt Frankfurt“ und die Zerstörung der Altstadt mit all ihren Kunstdenkmälern als „Terrorakt“ von „Kulturschändern“ bezeichnet. Der Autor des Artikels fordert Vergeltung.

Artikel - Bildergalerie

Otto Stadler: Hier muß Haß heilig werden. Aus: Rhein-Mainische Zeitung, 18.6.1944

Auf den Trümmern des Goethe-Hauses

Am Goethe-Geburtstag 1945, als diese Aufnahme entstand, hielt Beutler eine Ansprache, die später unter dem Titel Besinnung veröffentlicht wurde und auch im Ausland große Beachtung fand. Darin wird auch vorsichtig vom Wiederaufbau gesprochen: „Und darum sei heute als an dem Geburtstage des Dichters der Wunsch ausgesprochen, daß, nicht als Beginn des Wiederaufbaues, denn diese Stunde wird erst nach Jahren schlagen, aber als Symbol des Frankfurter Aufbauwillens, das Hausportal mit dem Goetheschen und Textorschen Wappen wieder aufgerichtet werde, damit diese ehrwürdigen Sinnbilder nicht länger gestürzt und geschändet im Staube der Straße liegen.“

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Ernst und Christian Beutler auf den Trümmern des Goethe-Hauses © Freies Deutsches Hochstift, Foto: Hanna Rapp

Nach dem 22. März 1944

Wenige Tage nach der Zerstörung berichtet Beutler der Enkelin von Clemens Brentanos Bruder Christian, mit deren Hilfe er und die Stadt ein Brentano-Museum einrichten wollten: „Alles ist vorüber. Die Altstadt nur noch Schutt und Asche. Das Haus zum goldenen Kopf ist gewesen, ebenso das Goethehaus u. sein Museum, Römer und Römerberg, Gassen und Kirchen der Stadt. Der Dom ragt noch, wenn auch stark mitgenommen. Die neue Stadt ist fast ganz ausgebrannt.“

Blick in den Großen Hirschgraben nach dem 22. März 1944