Der Wiederaufbau des Goethe-Hauses in der unsicheren Nachkriegszeit bedeutete für das Freie Deutsche Hochstift einen riesigen Kraftakt. Neben der schwierigen Materialbeschaffung und den hohen Anforderungen, die ein originalgetreuer Wiederaufbau an die Handwerker stellte, kamen noch die massiven politischen Veränderungen. 1948 vernichtete die Währungsreform dem Hochstift – zum zweiten Mal nach 1923 – das Stiftungsvermögen. Doch Hilfe kam von den Mitgliedern, der öffentlichen Hand und Goethefreunden aus aller Welt. Zwar konnte im Goethejahr 1949 Richtfest gefeiert werden, aber an eine Fertigstellung, wie ursprünglich geplant, war nicht zu denken. Damit die Bauarbeiten fortgesetzt werden konnten, genehmigte der Postminister im Goethejahr Sondermarken für den Wiederaufbau des Goethe-Hauses. Die Stadt Frankfurt am Main übereignete dem Hochstift den Grund und Boden, auf dem das Frankfurter Goethe-Museum wieder erstehen sollte. Im Februar 1950 kam noch eine Teilfläche des Grundstücks Am Salzhaus 3 hinzu. Auch der amerikanische Hohe Kommissar John J. McCloy (1895-1989) spendete 150.000 Mark für den Wiederaufbau von Goethe-Haus und -Museum.
Rundschreiben Nr. 5, August 1949
Zwischen 1941 und 1962 erschien kein Jahrbuch des Freien Deutschen Hochstifts. Die Mitglieder wurden daher nach dem Krieg durch ›Rundschreiben‹ über die Tätigkeiten des Hochstifts und den Fortgang des Wiederaufbaus informiert. In diesem Heft wird über das Richtfest des Goethe-Hauses am 4. April 1949 berichtet. In Beutlers persönlichem Bericht heißt es über die Zeremonie: „Oben auf dem Gerüst des Goethehauses, des einzigen Neubaus, der sich in dem Trümmerfeld erhob, schwebte der Kranz. Um die Verbindung zwischen uns und den Arbeitern, die keine Goetheforscher waren, dennoch im Zeichen Goethes herzustellen, schlug Herr von Maltzahn […] vor, wir wollten gemeinsam singen: Sah ein Knab‘ ein Röslein stehn. Das geschah denn auch.“
Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethemuseum: Rundschreiben Nr. 5, August 1949 © Freies Deutsches Hochstift
Unterstützung für den Wiederaufbau
Zwischen 1947 und 1951 erhielt das Hochstift viel Unterstützung für die Wiederaufbaupläne des Goethe-Hauses. Drei Beispiele: Der Dachdeckermeister Hans Roth half unentgeltlich beim Dach im Brunnenhöfchen, der Frankfurter Pianist Heinz Schröter gab ein Benefizkonzert und die Schweizer Bibliophilen organisierten eine Buchversteigerung in Zürich zugunsten des Frankfurter Goethe-Hauses.
Trümmerstätte mit aufgeschichteten Sandsteinen, 1946
© Freies Deutsches Hochstift, Foto: Hanna Rapp
Handwerker setzen den Türstein ein, Herbst 1947
Schon in seiner ersten Rede nach dem Krieg hatte Beutler gefordert, „das Hausportal mit dem Goetheschen und Textorschen Wappen“ als Symbol des Frankfurter Aufbauwillens wieder aufzurichten.
Handwerker setzen den Türstein mit dem Goetheschen Wappen wieder ins alte Hausportal ein, Herbst 1947 © Freies Deutsches Hochstift
© Freies Deutsches Hochstift
Bauarbeiten an der Fassade, 1948
Im Herbst 1948 stand das Erdgeschoss mit allen Mauern und Zwischenwänden, wobei die Fassade am Hirschgraben zu vier Fünfteln aus den alten Sandsteinblöcken wieder errichtet worden war.
Bauarbeiten an der Fassade, September und Dezember 1948 © Freies Deutsches Hochstift
DAHA: Baustein für das Goethehaus, 1949
Mit einer Werbebroschüre an „alle Freunde deutscher Kultur in Südafrika“ versuchte der Deutsch-Afrikanische Hülfs-Ausschuss aus Pretoria Mittel für den Wiederaufbau des Frankfurter Goethe-Hauses einzuwerben.
Deutsch-Afrikanischer Hülfs-Ausschuss (DAHA): Baustein für das Goethehaus, 1949 © Freies Deutsches Hochstift
Heimstätte des Genies. Schicksale historischer Schätze
Den Wiederaufbau begleitete Ernst Beutler wie hier mit Artikeln über den Fortgang der Bauarbeiten oder die Rückkehr der Sammlungsgegenstände.
Ernst Beutler (1885-1960): Heimstätte des Genies. Schicksale historischer Schätze. In: Revue. Verlag Heinz Ullstein, Berlin-Zehlendorf, Juli 1948 © Freies Deutsches Hochstift
Thomas Mann zu Besuch
Im Goethejahr 1949 betrat Thomas Mann nach Jahren der Emigration und des Krieges erstmals wieder deutschen Boden. Am 25. Juli bekam er den Goethe-Preis der Stadt Frankfurt am Main verliehen und hielt in der bis auf den letzten Platz gefüllten Paulskirche seine ‚Ansprache im Goethejahr‘. Am 26. Juli besuchte er das Goethe-Haus. Ernst Beutler führte den Dichter und dessen Frau durch Goethes Vaterhaus. Ein Foto zeigt Thomas Mann und Ernst Beutler im Gespräch um die Goethe-Büste Klauers gruppiert. Der Reporter der ‚Frankfurter Rundschau’ schrieb dazu: „Zuweilen wird das zufällige photographische Bild zum Ereignis: so hier in der Begegnung des Meisters der psychologischen Menschenzeichnung und Deutung mit dem Hüter der Überlieferung am Großen Hirschgraben“.
Sonderbriefmarken zum Goethejahr 1949
Der Aufschlag (fünf, zehn und fünfzehn Pfennig pro Marke) kam dem Wiederaufbau des Goethe-Hauses zugute. Die grüne Zehnpfennigmarke zeigt Johann Heinrich Wilhelm Tischbeins Bild ‚Goethe in der Campagna‘, die rote (20 Pf.) das Goethebild von Joseph Karl Stieler und die bläuliche Marke (30 Pf.) ein Goethe-Porträt von Ferdinand Jagemann. Der Verkauf der Briefmarken brachte 360.000 Mark für den Wiederaufbau des Goethe-Hauses ein. Am 27. und 28. August 1949 standen viele Philatelisten an dem zu Goethes 200. Geburtstag eigens eingerichteten Sonderpostamt am Frankfurter Hauptbahnhof Schlange, um den begehrten Jubiläums-Sonderstempel zu erhalten.
Arbeiten am Innenausbau 1950/1951
Das orignale Treppengeländer konnte aus den Trümmern geborgen, zurechtgebogen, ergänzt und wiedereingesetzt werden - wie hier in zwei Rohbau-Aufnahmen aus dem Jahr 1950 zu sehen. Schwer zu finden waren die Handwerker, die nach altem Vorbild arbeiten sollten. Wie zu Goethes Zeiten wurden die handgemalten Tapeten, der Stuck und das Glas der Fenster wiederhergestellt.