Die Entscheidung für den originalgetreuen Wiederaufbau fiel in der Magistratssitzung vom 19. April 1947. Beutler war es gelungen, sich breite Zustimmung innerhalb des Magistrats für seine Wiederaufbaupläne zu sichern und Baustadtrat Blanck zu isolieren. Hier behauptete die Frankfurter Bürgerkultur noch einmal ihre Autonomie gegen die Vereinnahmungsversuche der städtischen Verwaltung.
Am 5. Juli 1947 fand die feierliche Grundsteinlegung statt, die als internationales Ereignis inszeniert war. Der französische Dichter André Gide hielt eine Ansprache und Oberbürgermeister Walter Kolb begrüßte jugendliche Vertreter aus elf europäischen Nationen, die im Rahmen der Internationalen Jugendkonferenz in Frankfurt am Main zusammengekommen waren.
Magistratssitzung, 19. April 1947
In der entscheidenden Sitzung konnte sich das Hochstift durchsetzen, weil die meisten Stadträte die Hochstiftsposition unterstützten. Baustadtrat Blanck war innerhalb des Magistrats isoliert. Zwar hatte er mit Bartning und Hebebrand wichtige Verbündete, diese hatten aber bei der entscheidenden Abstimmung keine Stimme. Die Strategie auf Zeit zu spielen und die Entscheidung erst einmal „einem kleinen Arbeitskreis“ zu überlassen und in eine städtische Kommission zu überweisen, scheiterte. Einige Stadträte verwiesen auf die Eigentumsrechte. Nicht die Stadt, sondern das Hochstift sei der Bauherr.
Das Goethehaus wird wieder aufgebaut
Der volksnahe SPD-Politiker Walter Kolb hatte im Juni 1946 das Amt des Frankfurter Oberbürgermeisters angetreten. Mit ihm sind viele bedeutende politische, wirtschaftliche und stadtplanerische Weichenstellungen der ersten Nachkriegsjahre verbunden. Obwohl er sich im Vorfeld um Neutralität in der Causa Goethe-Haus bemühte, stimmte er in der entscheidenden Magistratssitzung für den Wiederaufbau nach den Vorschlägen des Hochstifts.
Das Goethehaus wird wieder aufgebaut. Eine Presse-Konferenz beim Frankfurter Oberbürgermeister. In: Frankfurter Neue Presse vom 28. April 1947, S.3. © Freies Deutsches Hochstift
Max Rychner an Beutler, 4. September 1947
In der Schweizer Zeitung ‚Die Tat‘ befürwortete der Literaturkritiker und Essayist Max Rychner den Wiederaufbau. In seinem Begleitbrief an Beutler begrüßt er es, „dass die Dichter sich durchgesetzt haben“, die – im Gegensatz zu vielen Architekten – den originalgetreuen Wiederaufbau fast ausnahmslos befürworteten.
André Gide bei der Grundsteinlegung, 5. Juli 1947
Die Grundsteinlegung zum Wiederaufbau des Frankfurter Goethe-Hauses fand am 5. Juli 1947 im Rahmen der Internationalen Jugendkonferenz statt. Neben Oberbürgermeister Walter Kolb sprach der französische Dichter André Gide. Er begann seine Rede: „Ich verbinde mich mit ganzem Herzen und ganzem Geist mit dem Wiederaufbau des Goethehauses; denke aber dennoch, daß man nicht zu viel Bedeutung, auch nicht symbolisch, daran knüpfen sollte. Der Geist Goethes gehört der Welt“.
Programm der Grundsteinlegung
Einladung zur Grundsteinlegung am 5. Juli 1947 © Freies Deutsches Hochstift
Programm der Grundsteinlegung am 5. Juli 1947 © Freies Deutsches Hochstift
Walter Kolb
In der Ansprache des Frankfurter Oberbürgermeisters hieß es: „Dieses Haus [möge] eine Stätte des Friedens, der Verständigung der Nationen im Geist sein [...], im Zeichen Johann Wolfgang Goethes und seines Glaubens an die völkerverbindende Kraft der Kunst und der Gesinnung reiner Menschlichkeit.“
Walter Kolb (1902 – 1956) bei der Grundsteinlegung am 5. Juli 1947 © Freies Deutsches Hochstift
Ernst Beutler und Georg Hartmann
Ernst Beutler (1885 – 1960) und Georg Hartmann (1870 – 1954) bei der Grundsteinlegung am 5. Juli 1947 © Freies Deutsches Hochstift